In der Nacht hat es leicht geregnet, sodass ich das Außenzelt zum Trocknen aufhängen muss. Ich wache um 6:00 Uhr auf und sortiere mich erst einmal. Der Körper fühlt sich trotz des gestrigen Tages gut an – Muskelkater: Fehlanzeige. Während mein Zelt trocknet, bereite ich mein Frühstück. Ich setze mich zu meinem Zeltnachbarn an die Holztische vor der Rezeption. Gut gelaunt, um die 50, ist er dabei seine linke Sandale mit einem Kabelbinder zu reparieren. Von Hamburg ist er mit dem Zug bis Bad Schandau gefahren und fährt nun mit dem Rad den Elberadweg entlang zurück. Wie lange er brauchen wird? Weiß er noch nicht. Solange, wie es eben dauert – und solange er Lust hat.
Um 8:30 Uhr mache ich mich auf den Weg. Die ersten vier Kilometer durch Königstein haben es in sich: Fast 300 Höhenmeter geht es bergauf. Kaum unterwegs – und schon komplett durchgeschwitzt.



Ein Highlight jagt das nächste
Vom Quirl geht es zum Pfaffenstein, dann zum Gohrisch und zum Schluss auf den Papststein. Tafelberg hoch, Tafelberg runter. Unterwegs treffe ich ein Ehepaar, das ebenfalls mit Zelt unterwegs ist. Sie sind auf der letzten Etappe des Forststeigs, der sich an einigen Stellen mit dem Malerweg überschneidet. Prompt begegnen wir uns nach zwei Stunden an einer kniffligen Abstiegstelle am Gohrisch wieder. Die Stufen sind schräg und weit auseinander in den Felsen geschlagen – ich muss kurz überlegen, wie ich hier am besten herunterkomme. Der Durchgang ist zudem super schmal, mein Rucksack kratzt durch die Felsspalte, bevor es wieder weiter wird. Zum Glück bin ich mit ein bisschen Klettergeschick ausgestattet, nutze die „Grifflöcher“ an einer Seite des Felsens und lasse mich langsam auf die nächste Stufe hinab. Das Ganze wäre natürlich deutlich einfacher, wenn nicht noch ein 14-Kilo-Rucksack mit drücken würde.






Treppen, Treppen, Treppen, Treppen…ach ja … Treppen!
Generell waren viele Auf- und Abstiege heute recht anspruchsvoll. Trittsicherheit sollte man für den Malerweg definitiv mitbringen. Von steilen Leitern über hohe Steinstufen bis hin zu schmalen Metallstreben ist alles dabei. Wer Probleme mit den Knien hat, kann eigentlich gleich zu Hause bleiben. So viele Treppenstufen wie heute bin ich in meinem Leben noch nicht gegangen und ich kann für heute auch keine mehr sehen. Laut Uhr: rund 800 Höhenmeter auf 23 Kilometern – davon gefühlt 85 % über Stufen.
Die Ausblicke sind jedes Mal grandios. Die Festung Königstein von gestern begleitet mich den ganzen Tag – sie ist von nahezu überall sichtbar. Diese Sandsteinfelsen, die fast zu perfekt wirken, um natürlich zu sein, faszinieren mit ihrer rauen Schönheit. Oben auf dem Gohrisch treffe ich ein älteres Pärchen aus der Region. Sie selbst haben es noch nicht geschafft, den Malerweg am Stück zu laufen, obwohl sie regelmäßig hier unterwegs sind. Sie finden es toll, dass ich die Tour mache. Auch ihre Kinder sind wanderbegeistert, finden aber zu selten gleichgesinnte Abenteurer*innen. Heute ist es zu dem etwas voller. Viele Tagesausflügler, aber auch einige Weitwandernde kreuzen meinen Weg.
Nach diesem Tag habe ich Waden aus Stahl. Sollte der nächste Tag ähnlich verlaufen, könnte es richtig hart werden. Müsste ich meine Tour nach heute aus irgendwelchen Gründen abbrechen, hätte es sich trotzdem schon jetzt mehr als gelohnt, die Sächsische Schweiz besucht zu haben.




Kleine Orte, kleine Lädchen und die Fleischeslust
Durch zwei kleine Orte geht es noch bergab und an der Liethenmühle vorbei. Ich bestelle mir eine Cola und ziehe sie in 3 Schlücken weg. Meine Wasserflaschen auffülle ich auch nochmal auf. Bis nach Krippen sind es dann nur noch 1,5 Kilometer. Ich komme an den vielen Hotels vorbei und schaue mich vorsichtshalber um. Mein „Campingplatz“ für diese Nacht ist nämlich kein richtiger. Da der kleine „Provianter“ um 17:00 Uhr schließt, will ich unbedingt rechtzeitig da sein. Es ist ein Fleischer mit Tante-Emma-Laden-Flair. Es gibt Brötchen, Bockwurst (beim Wandern kommt kurz die Fleischeslust durch), Joghurt und einen Apfel fürs Frühstück. Die kleinen Dinge, die glücklich machen.
Ein letzter, steiler Anstieg führt mich zu meinem Ziel, von dem ich bisher nur eine Google Maps Aufnahme gesehen habe. Die DAV-Hütte liegt oberhalb von Krippen im Wald, in einer Art „Quasi-Sackgasse“. Hinter mir ein umzäunter Garten, oberhalb ein großes Haus. Die Hütte selbst ist umgeben von Wald und einer Wiese. Ich komme zwar nicht hinein – den Schlüssel hätte ich in Dresden abholen und wieder zurückbringen müssen –, aber ich darf vor der Hütte zelten. So habe ich es mit dem Hüttenwart am Telefon abgesprochen.
Vor der Hütte stehen ein Tisch und Bänke, auf denen ich mich ausbreite. Es ist noch früh, und obwohl es ziemlich abgelegen ist, beschließe ich, mein Zelt erst aufzubauen, wenn es dämmert. Der einzig ebene Platz vor der Hütte ist ein Stück ungemähte Wiese. Kaum steht das Zelt und mein Kram ist verstaut, beginnt es pünktlich zu regnen. Ich freue mich über das gute Timing – und schlafe mit dem Gefühl ein, dass jetzt auch niemand mehr den Weg hier hoch auf sich nehmen wird.


