Die Nacht war unruhig. Linke Seite ging nicht, rechte Seite ging nicht. Irgendein Körperteil schlief immer ein und es war unfassbar warm. Das sage ich, die Frostbeule. Also stehe ich um 6:30 Uhr auf, um die Kühle des Morgens zu nutzen. Der Tag startet sonnig und scheint herrlich zu werden. Endlich habe ich auch mal auf die Uhr geschaut: 24 Minuten brauche ich für das komplette Verpacken meiner Sachen. Von aus dem Zelt kriechen bis Rucksack ist reisefertig. Schnell oder langsam? Ich wollte es einfach mal wissen.
Mit meinem Essensbeutel und meinen Schuhen in der Hand gehe ich hinüber zur Terrasse an der Rezeption. Ich hab mich schon auf ein gemütliches Frühstück auf den bequemen Sofas gefreut. Ein schöner Ort, um in den Tag zu starten. Ich rühre also mein Müsli an und checke doch nochmal kurz die Mails. Und ab da wird der Tag irgendwie unberechenbar.
Ich bestätige zu schnell eine E-Mail, in der es um einen Druckauftrag geht, nur um 2 Sekunden später festzustellen, dass in der Datei doch noch ein Fehler ist. Erst handeln, dann denken – kann ich. Zur Untermalung des Szenarios, in dem mir eh schon heiß und kalt geworden ist, fängt der Himmel auch noch an zu grummeln und böse dunkle Wolken ziehen auf. Ohne Genuss schlinge ich mein Frühstück hinunter und wasche ab. Zwischendurch formuliere ich noch eine Stornierungsmail an die Druckerei und versuche ohne Erfolg jemanden ans Telefon zu bekommen.
Ich schnappe meinen Rucksack und ziehe los. Was soll ich auch anderes machen? Auf dem Weg zur Hauptstraße hab ich Glück und bekomme tatsächlich jemanden ans Telefon. Obwohl in der Mail überall in Rot steht „Wenn du den Auftrag bestätigst, gibt es kein Zurück mehr etc.“ ist der Mann super nett und ich soll die korrekte Datei einfach hinterherschicken. Nach 2 weiteren Telefonaten und 5 Whats Apps ist das Thema geklärt und am Abend bekomme ich die korrekte Datei und schicke sie ab. Die endlos lange Hauptstraße, die mich am gestrigen Tag die letzten Reserven gekostet hat, vergeht währenddessen wie im Flug und ich biege ab in die Heide.
Der Himmel ist grau und die ersten Regentropfen fallen zu Boden. Ich hülle meinen Rucksack in sein Cover ein und halte meinen Schirm griffbereit. Es bleibt zunächst bei einem leichten Sprühregen. Die dunklen Wolken in der Ferne lassen aber schon ahnen, dass das nicht so bleiben wird. Ein paar Kilometer weiter befindet sich um mich herum nur noch flache Heide und es fängt an zu gewittern. Das Donnergrollen rückt näher und ich sehe die Regenschwaden in der Ferne. Ich versuche mich zu beeilen und habe einen „Athen-Flashback“. Vor ein paar Jahren war ich mit Freunden im Urlaub und wir befanden uns auf dem Hügel der Akropolis, als ein heftiges Gewitter einsetzte. Lautsprecherdurchsagen forderten die Touristen auf, die Anlage zu verlassen, doch so schnell kamen wir nicht weg. Der Marmor war durch den einsetzenden Regen super rutschig und rechtzeitig hätten wir es eh nicht geschafft. So standen wir, total klug, unter einem großen Baum und dachten wirklich unser letztes Stündlein hätte geschlagen.
Das Gewitter jetzt kommt zu meinem großen Glück ohne Blitze aus, doch auch wie in Athen stelle ich mich unter ein Gebüsch, um nicht komplett durchnässt zu werden. Der erste Starkregen dauert 10 Minuten. Ich wage mich hervor, als es nur noch tröpfelt, um ganze 500 Meter weit zu kommen, bevor es weitergeht. Passenderweise erreiche ich gerade noch einen Jägersitz aus Holz, der wie ein Plumpsklo aussieht. Die Mülltüten in der Ecke ignoriere ich und will auch gar nicht wissen, was sich darin befindet. Auf dem Holzbrett sitzend, schüttelt der Wind meinen Unterschlupf ordentlich durch, aber ich bin im Trockenen.
Nicht nur bei strahlend blauem Himmel macht die Heide eine gute Figur. Die dunkelgrauen Gewitterwolken und Pfützen auf den Sandwegen lassen sie nochmal ganz anders wirken. Mysteriös, wild, irgendwie roher.
An diesem Tag habe ich Zeit. Es sind nur 20 Kilometer bis zum Campingplatz und ein Besuch bei McDonalds inklusive einkalkulierter Handyladepause steht auf meinem Plan. Als ich nach ca. 15 Kilometern durch einen Ort komme, bin ich jedoch verwirrt. Ich laufe direkt an meinem notierten Campingplatz vorbei, der eigentlich erst 5 Kilometer später kommen soll. Schnell versuche ich zu checken, was ich da schon wieder verbockt habe. Die Route führt tatsächlich zu einem Campingplatz, der sich 5 Kilometer weiter befindet. Jedoch habe ich mir einen anderen notiert und die Website des richtigen Platzes noch nie angeschaut. Ok, wie auch immer, wird schon gut gehen. Ich habe auch nichts reserviert auf dieser Tour. Für eine Person, mit einem kleinen Zelt, wird wohl immer irgendwo ein Plätzchen frei sein. Während dieser Überlegungen bin ich mit dem Handy in der Hand weitergegangen und habe natürlich eine Abzweigung verpasst. Also wieder zurück.
Ich umrunde einen kleinen See und die Blase drückt. Links ist die Böschung zu steil und rechts das Wasser. Ich laufe also ich weiter und sehe eine Fischerhütte inklusive eines Waldstückes, was sich gut für eine Pipipause eignet. Keine 2 Minuten später fängt es erneut an zu regnen, oder besser zu schütten. Ich rette mich gerade noch unter das großzügige Vordach der Vereinsbehausung. Der Regen wird so heftig, dass ein weißer Schleier den See verschluckt und ich keine 20 Meter weit gucken kann. Zu meinem Glück sind die Holzbänke bequem und ich lege eine Zwangspause ein. Am Ende verbringe ich 1,5 Stunden unter dem Vordach und lese mein Buch. Die Autobahnraststätte ist nicht weit entfernt, aber komplett durchnässt dort anzukommen, habe ich keine Lust. Irgendwann reicht es mir dann aber doch und ich ziehe meinen Regenponcho über. Als ob das Universum das mitbekommen hätte, hört der eh schon schwächer werdende Regen komplett auf.
Der McDonalds ist warm und ich ergattere einen Platz an einer Steckdose. Ich finde den Gedanken spannend, dass ich definitiv zu einer Minderheit gehöre. Die meisten Gäste sind wohl eher mit dem Auto angekommen. Da ich nicht schon so früh am Campingplatz sein möchte, vertreibe ich mir die Zeit. Beobachte Menschen und kaufe mir, von meinem Sanifair Gutschein, ein weiteres Eis.
An die letzten 5 km des Tages habe ich keine großen Erwartungen, werde jedoch absolut positiv überrascht. Kaum entferne ich mich vom Rastplatz und der Autobahn, führt mich der Weg durch den Wald und ich höre nur noch die Geräusche der Natur. Mit weiteren Heideflächen habe ich nicht mehr gerechnet, als sich vor mir eine wunderschöne Landschaft auftut. Von oben schaue ich in ein kleines Tal voller Heidekraut hinab. Der Weg führt mich ein Mal ringsherum.
Der Campingplatz am Opalsee in Hützel ist schlicht. Er bietet mir an dem Tag aber mal wieder genau das, was ich brauche: Einen See mit Bank zum Buch lesen und einen trockenen Aufenthaltsraum zum Abendessen. Der erwarte Regen gegen Abend lässt sich auch nicht blicken, sodass ich mein Zelt im Trockenen aufbauen kann.
Campingplatz: Campingplatz Opal-See
Kosten: 13 €