So gut habe ich, glaube ich, noch nie im Zelt geschlafen, lag vielleicht auch an der Erschöpfung. Ich baue mein Zelt ab, bezahle und bekomme vom Betreiber noch den Hinweis auf den kostenlosen Heideshuttle Service. Dieser fährt von Juli bis Oktober alle wichtigen Bereiche innerhalb der Lüneburger Heide an. Schöne Sache, für mich aber hoffentlich irrelevant. Die ersten Meter aus dem Zelt zum Waschraum waren noch wackelig. Mit dem Rucksack auf dem Rücken fühle ich mich jetzt aber richtig gut. Die Hüfte funktioniert und auch kein anderer Körperteil macht Mucken. Weder Muskelkater in den Beinen noch schmerzende Füße. Ein gutes Zeichen.
Ein paar Kilometer des gestrigen Weges muss ich zurückgehen, um wieder auf den Heidschnuckenweg zu gelangen. Es ist schon warm, aber noch angenehm und die erste Zeit geht es erneut durch ein Waldgebiet. Kaum erreiche ich die Heide, würde ich am liebsten den ganzen Tag nur Fotos machen. Es ist so unglaublich schön, wie das Heidekraut, bei obszön blauem Himmel, am Leuchten ist.
Nach knapp 9 km komme ich durch den kleinen Ort Wilsede. Links und rechts, von einer alten, mit buckeligen Steinen gepflasterten Straße, befinden sich ein Museum und ein Café. Bei einem überteuerten Latte Macchiato unterhalte ich mich mit einem älteren Herren. Er kennt sogar das Weserbergland, da er den Pilgerweg Loccum Volkenroda gewandert ist. Ich mache etwas länger Pause als geplant, aber was soll’s. Ich bin ja nicht auf der Flucht und auch gut in der Zeit.
Weiter geht es auf der Steinstraße und mir kommen mehrere Pferdekutschen unter der endlos-langen Eichenallee entgegen. Irgendwie wirkt alles, als ob ich in einem übergroßen Freizeitpark wäre. So perfekt und unnatürlich.
Ich bin wieder unheimlich froh mein Schirmchen zur Hand zu haben, denn die nächsten 10 km erwartet mich Sonne, ohne jeglichen Schatten, dafür unglaubliche Heidelandschaft. Jede Kurve begeistert mich ums neue. Sogar einen Ausblick gibt es. Vom 169,2 m hohen Wilseder Berg schaut man „hinunter“ ins Tal. Der Wilseder Berg ist das Herz der Heide und der höchste Berg der norddeutschen Tiefebene.
Die Heideflächen erstrecken sich auf insgesamt 230 qkm. Bereits seit 1921 sind sie unter Schutz gestellt, weil sie auch Revier für seltene Tiere und Pflanzen geworden sind. Den namensgebenden Tieren des Weges samt Schäfer und Hütehunden begegne ich auch.
Die Sonne brennt. Vielleicht hätte ich mich doch besser eincremen sollen. Bei dem Wasserverlust ist die Creme in 5 Minuten aber auch schon wieder mit weg geflossen. Die letzten 10 Kilometer versuche ich mehrere kurze Pausen einzulegen. Die Hitze zerrt am Kreislauf (meinem Motto lieber zu warm als zu kalt bleibe ich trotzdem treu).
Zum Schluss setzt der Asphalt den Füßen nochmal so richtig schön zu. Ich will garnicht wissen, was für ein genervtes Gesicht ich gezogen haben muss, als ich durch den Ort Heber zum Campingplatz geschlurft bin.
30,4 km sind geschafft und ich fühle mich besser als am ersten Tag. Keine Kopfschmerzen und die Hüfte hat sich auch nicht wieder gemeldet. Dafür habe ich doch etwas Sonnenbrand und mein Shirt könnte gut als Salzleckstein dienen.
Der Platz ist super schön hergerichtet, mit hübsch angelegten Bereichen und sauberen Waschräumen. Der wirklich kleine Zeltplatz, eine Raseninsel umgeben von Wohnmobilstellplätzen, ist zum Glück leicht zu finden. Ein überfreundlicher Italiener, der mich so gleich begrüßt, möchte mir erst Nüsse und dann einen Hammer für die Heringe anbieten. Ich lehne dankend ab. Selbst ist die Frau. Wofür schleppe ich denn mein Alu-Kack-Schäufelchen mit mir herum? Damit bekomme ich die Heringe auch erfolgreich in den, wirklich sehr harten, Boden. Die ganze Zeit verschont geblieben, erwischt mich beim Zeltaufbau doch noch mein Erzfeind, die Bremse. An der Wade, wo auch sonst. Ich freue mich auf das geschwollene Ei am nächsten Tag.
Da das Restaurant leider geschlossen hat, decke ich mich in der gut sortierten Rezeption mit alkoholfreiem Weiten, einer Cola, Chips und einer Packung Lidl Weißkrautsalat ein. Der Salat hat noch nie so gut geschmeckt. Heute fange ich auch das Buch meiner Reise an, „Der Alchimist“.
Es wird erstaunlich schnell dunkel. 21:20 und der Himmel ist fast schwarz. Ab ins Zelt. Licht aus.
Campingplatz: Camping-Park Lüneburger Heide
Kosten: 15 €