Wir stehen erst spät auf, um dem Regen noch eine Chance zu geben sich zu ergeben, aber so leicht lässt er sich nicht kleinreden. Es nieselt weiter. Der Trockenraum hat sich über Nacht eher in eine Sauna verwandelt. Schwülwarme Luft kommt mir beim Eintreten entgegen. Meine Socken? Noch feucht. Egal, werden sich schon warm laufen an den Füßen.
Bevor wir gehen, muss ich mir aber unbedingt den hauseigenen Miniboulderfelsen von Ralf anschauen. Zum Klettern ist es nur leider viel zu rutschig. Über einen kleinen Trampefpfad hinter dem Campingplatz, gelangen wir nach nicht allzu langer Zeit nach Lindenfels. Im Nahkauf holen wir frische Äpfel. Der Weg zum Bäcker entpuppt sich enttäuschenderweise als Pleite. Montag ist Totentanz in der Region.
Der Regen wird um einiges schlimmer und wir stellen uns unter das Vordach eines indischen Restaurants, welches natürlich auch geschlossen hat. Unter der Tür weht uns trotzdem ein Currylüftchen entgegen.
Das Regeninferno ruft die ersten Feuerwehrfahrzeuge auf den Plan, die lautstark an uns vorbeirauschen. Die Wetterapp ist auch nicht auf unserer Seite. Nach einer Viertelstunde auf dem Boden sitzend, schaue ich mir Google Maps nochmal genauer an und finde keine 300 Meter entfernt tatsächlich eine Eisdiele, die geöffnet hat.
Den Regen bei einem Latte Macchiato und einer hervorragenden Kugel Pistazieneis auszusitzen, macht auf jeden Fall mehr Spaß, als zusammengekauert in einer Ecke zu hocken.
Nach einer Stunde brechen wir wieder auf. Der italienische Besitzer erzählt uns noch, dass es im Odenwald fast nie nicht regnet. Super.
Der restliche Weg ist schön. Schmale Pfade durch den Wald, Wiesenwege, ein kleiner Wasserfall und eine kehrenreiche Strecke hoch zur Walpurgiskappelle.
In Hammelbach angekommen, laufen wir an einem Döner-Imbiss vorbei. Holen wir uns heute hier was? Essen wir unseren Couscous? Unentschlossenheit macht sich breit, die aber vom Duft des warmen Essens aus dem Weg geräumt wird. Der Imbiss ist so klein, dass ich meinen Rucksack an der Tür stehenlasse. Einen Lahmacun und einen Döner, bitte! „Na, wo wandert ihr zwei denn lang? Nibelungensteig?“ Überrascht drehe ich mich um. Eine Frau, um die 60, schaut uns strahlend an und redet im besten hessischen Dialekt drauflos. Ich versuche mich zu konzentrieren, was sie sagt. Ein paar Sachen verstehe ich tatsächlich nicht. Kurze Zusammenfassung aus einem ca. 5-minütigen Gespräch: Sie ist selbst schon einen Camino nach Santiago gelaufen, liebt das Wandern, hat eine Tochter in unserem Alter und findet es super, dass wir ebenfalls unterwegs sind. Völlig euphorisch bietet sie uns an, uns die letzten Meter zum Campingplatz zu fahren. Was wir gern annehmen (auf der Fahrt stellt sich raus, dass der Weg doch noch ziemlich weit gewesen wäre). Eigentlich wollte sie auch gar nicht zum Imbiss, aber dann ist sie spontan noch einkaufen gefahren und wie das so ist. Als sie dran ist, ihre Bestellung zu bezahlen, übernimmt sie spontan auch noch unsere Rechnung. Wir sind vollkommen baff.
Am nächsten Abend lese ich zum ersten Mal „Das Café am Rande der Welt“ und muss feststellen, wie gut doch eine Passage zu dieser Reise passt. (Kapitel 11, für alle, die das Buch besitzen). Nämlich, dass zusammengefasst, den Menschen, die etwas wirklich gern machen und die dabei glücklich sind, auch Glück widerfährt.
Beim Aussteigen bedanken wir uns nochmal herzlich bei Katrin und machen uns auf die Suche, nach dem für uns hinterlegten Zettel. Keine 2 Sekunden später stürmt jedoch schon ein älterer Herr mit einem Klemmbrett aus einem Camper. Er entpuppt sich als kleiner Witzbold mit trockenem Humor. Strom in Tüten oder reicht ein Kabel? Ähm ja.
Zwischen all den Dauercampern beziehen wir einen Wohnwagenstellplatz, direkt hinter dem Waschhaus. Yes! Kurze Pipiwege. Da die Sonne strahlt und gerade mal kein Regen in Sicht ist, werfen wir als Erstes unsere Sitzkissen auf die feuchte Wiese und machen uns über unser Essen her.
Das „Waschhaus“ ist nagelneu und beinhaltet auf 3 Etagen Campingluxus. Von den Toiletten, über die Duschen, bis zum Wäscheraum inklusive Aufenthaltsraum mit Kicker und Spielen, alles sehr schön und sauber. Am Morgen hatte ich Ralf, vom letzten Campingplatz in Schlierbach, schon vorsichtig gefragt, ob er, was über den Platz in Hammelbach weiß. Die Website, anno 2001, lies nämlich keine großen Erwartungen zu. Er beruhigte uns und meinte, das seien super liebe Leute, die in der letzten Zeit ordentlich investiert hätten. Das können wir nun sehen.
Nach einer warmen Dusche und einer Runde Scrabble im Aufenthaltsraum gehts dann auch ins Bett.
Unterkunft: Camping Hammelbach