Obwohl ich dachte, kaum geschlafen zu haben, habe ich den leichten Regenschauer in der Nacht verpasst und mich am Morgen über das nasse Zelt gewundert.
Schon früh machen sich die ersten Kletterer auf zu den Felsen.
Gut gelaunt und nur mit leicht schmerzenden Waden besuche ich die französische Hokttoilettte. Nein, so richtig gute Freunde werden wir wohl nicht mehr.
Während die Zelte in der Sonne trocknen, gibt es Frühstück. Ich liebe Haferflocken einfach. Kannst du essen warm, kannst du essen kalt. Immer geil.
Ach ja, ab heute werde ich leider allein weitergehen müssen. Aus gesundheitliche Gründen muss mein Begleiter einen Tag pausieren. Aber Spoiler: an Tag 3 gibt es das Wiedersehen.
Das Zelt ist getrocknet und verpackt. Es kann losgehen.
Durch das dichte Blätterdach dringt noch nicht allzu viel Licht in den Wald. Es läuft sich federleicht. Der Boden ist über und über mit Laub bedeckt. Ich schwanke zwischen Jacke an und Jacke aus. Es ist frisch.
An einigen Felsen bleibe ich stehen, um den Kletternden zuzuschauen. Eine Route in der Kletterhalle in Brakel hieß einmal „Draußen ist anders“. Dem kann ich nur zustimmen, obwohl ich bisher selbst nur ein Mal draußen geklettert bin. Ohne bunte Griffe, die dir den Weg zeigen, sieht es wirklich etwas anders aus.
Ich gehe weiter und weiter … und weiter… geradeaus. Erst noch vorbei an weitläufigen, traurigen Bärlauchfeldern, die aussehen, als ob ein Tornado durch sie hindurch gefegt wäre, Berg hoch und Berg runter und dann … weiter geradeaus.
Ja, ich weiß, dass der Ith-Hils-Weg ein Kammweg ist und ich liebe schmale Naturpfade, dachte ich. Es stellt sich heraus, wie immer macht es die richtige Dosierung. 15 lange Kilometer gehe ich einen wirklich schmalen, zugewachsen Pfad entlang. Rechts und links von mir Gebüsch und Abhang. Ausblick: Eher nicht. Ich schwanke zwischen „Das ist ein unglaublicher Weg“ und „Wann hört das endlich auf? Werde ich hier gerade klaustrophobisch?“
Ein riesengroßes Areal mit blühender Schafgarbe lässt mich lächeln. Sobald ich hindurchschreite, löse ich ein lautes Summkonzert aus.
Der Weg ist anstrengend, weniger körperlich, als dass bei jedem Schrittt Konzentration gefragt ist. Ständig stolpere ich über Steine und Wurzeln. Falle ich hier den Hang runter, findet mich die nächsten Tage wohl niemand.
Apropos Menschen. Mir kommen zwei weitere Trekker entgegen, ein älterer Walker und zwei leicht alkoholisierte Sonntagswanderer mit Musikbox, die auf der Suche nach dem Wasserbaum sind. Meine Orientierung ist wirklich nicht die beste, aber die beiden sind mit Google Maps erstmal 5 Kilometer in die falsche Richtung gelaufen.
Nachdem der dreißigste umgestürzte Baum überklettert ist und ich wenigstens 2 schöne Ausblicke hatte, geht es erstmal bergab und ich verlasse den grünen Tunnel.
Ich überquere eine Straße und Halleluja: Mich erwartet ein großer breiter Schottterweg. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, mich einmal darüber freuen zu können, aber ich tue es.
Meine Freude wird auch nicht davon getrübt, dass der Weg hinter der nächsten Kurve wirklich steil berghoch geht. Egal, ich muss nicht denken. Einfach nur gehen. Das erste Mal an diesem Tag kann ich die Gedanken schweifen lassen.
Die letzten Kilometer nach Lauenstein ziehen sich dann nochmal wie Kaugummi und meine Waden sind dicht.
Den Ith-Turm besteige ich trotzdem und genieße eine wunderschöne Aussicht
Es sind nur noch wenige 100 Meter bis zum Ziel. Ich gehe einen Feldweg entlang und ahne so ungefähr, wo das Naturfreundehaus Lauenstein liegen soll, aber wo ist der Weg dorthin?
Komoot zeigt ihn an, aber ich finde ihn einfach nicht. Die Alternative wären 3 km Umweg, die brauche ich nach 28 km jetzt wirklich nicht mehr.
Ich gehe den Weg hoch und runter und werde noch irre. Ein kurzer Blick auf Komoot und zur Wiese neben mir. Das soll der Weg sein? Durch Zufall sehe ich, dass in dem hohen Gras der Wiese links von mir, ein paar Halme platt gedrückt sind. Bei näherer Betrachtung scheint dies wirklich ein Trampelpfad zu sein. Back on Track.
Die Wiese führt mich bergauf durch einen natürlichen Laubengang. Alles sieht etwas verwunschen aus, bis ich irgendwann rechts von mir einen großen Gebäudekomplex erblicke. Ein Schild verrät mir, dass ich richtig bin, doch wo ist der Zeltplatz? Zum Glück kommen in diesem Moment zwei ältere Damen, mit Salatschälchen in der Hand, aus dem Hauptgebäude. Sie weisen mir den Weg um das Gebäude herum und gehen weiter in Richtung mehrerer kleiner Blockhütten.
Ich muss grinsen. Das ist der Zeltplatz? Ich habe an diesem Abend einfach diese wunderschön gelegene Wiese, für über 200 zeltende Personen, für mich allein.
Ich campe direkt vor dem Waschhaus. Kurze Wege und so.
Alles ist super sauber und neu. Die Einzelkabinenduschen sind ein Traum, sie haben sogar einen Vorraum mit Ablagemöglichkeit.
Bei einem herrlichen Sonnenuntergang bereite ich mir mein Abendessen zu. Couscous mit kaltem Wasser schmeckt genauso gut, wie mit heißem.
Noch ein Proteinriegel zum Nachttisch und ab geht es ins Bett.