Der Sturm hält bis 4:00 Uhr in der Früh an. In dieser Zeit mache ich kein Auge zu. Was hält das Zelt aus? Verbiegt sich womöglich das Gestänge? Als ich mir irgendwann sicher bin, dass es wohl halten wird, ist es aber einfach zu laut um zu schlafen. Oropax zu benutzen, traue ich mich nicht. Als der Wind endlich nachlässt, verfalle ich in einen schönen Schlummer. Es ist angenehm warm und ich habe eine bessere Schlafposition, als die Nacht zuvor. Das ganze hält bis 6:00 Uhr. Hallo Wind, da bist du ja wieder! Er fegt so heftig durch die Bäume, dass das Zelt zusammengedrückt wird und lässt erst nach, als ich gegen 9:00 Uhr mein Lager abbaue.
Aus dem „Garten“ hinter mir kann ich mein Porridge mit selbst gepflügten Himbeeren aufpimpen, was meine Laune wieder steigen lässt und der Wind hat wenigstens den Regen vom Zelt geföhnt.
Nach dem Frühstück ist mein Wasservorrat dann auch bis auf ein paar Schlücke komplett aufgebraucht. Ich schaue auf der Karte nach, wo denn mein eigentlicher Weg weiter gehen wird und wo das Gasthaus liegt, in dem ich meine Vorräte auffülle möchte. Direkten Weg nach Eimelrod gehen oder dem Uplandsteig folgen? Da der Weg ja das Ziel ist, bleibe ich auf Kurs und werde nicht enttäuscht. Der kleine Morgenspaziergang sollte sich als schönster Abschnitt der heutigen Etappe entpuppen und so einen Cappuccino muss man sich ja auch verdienen. Außerdem fühlt sich der Rucksack mit 3 Kilo weniger so herrlich leicht an.
In Eimelrod angekommen versagt erstmal das GPS und ich irre ein paar Minuten durch den kleinen Ort. Viele Läden scheinen ihre Türen schon seit langem geschlossen zu haben. In den Gärten grasen Ziegen und Hühner scharren den Boden auf. Idyllisch.
Im Gasthof laufe ich in eine Rauchwolke hinein. Der Chef, mit Zigarette in der Hand, wünscht mir hustend einen guten Morgen. Ich frage nach Kaffee und er, ob ich draußen sitzen möchte. Gerne. Ich genieße besagten Cappuccino, kann mein Handy laden. Wasservorräte auffüllen, auch kein Problem.
Zurück auf dem Weg geht es nur noch durch die Natur. An Feldern und Wiesen entlang, mit den schönsten Ausblicken.
Irgendwann gelange ich wieder auf einen geteerten Weg und bin genervt. Über diesen harten Boden laufen zu müssen, mit Gepäck dabei ist anstrengend und langweilig zu gleich. Meine Stimmung hebt sich aber sofort wieder, als ich die Wegmakierung des Upladsteigs sehe, die gefühlt ins Nichts zeigt. Direkt neben dem Weg gibt es einen schmalen Wanderpfad über Stock und Stein. Leicht, wie ein Mensch mit 12 kg auf dem Rücken sich bewegen kann, hüpfe ich über die Wurzeln.
Vor dem Anstieg zum Dommelturm, der Weg hat eine gefühlte Steigung von 30 %, erstmal Pause machen. Kraft im Keller. Zucker muss her. Wie krass einfach so eine Zuckerzufuhr ist. Cliffbar rein. Power on. Werbung aus.
Der grade Weg hoch zum Turm ist trotzdem verflucht anstrengend. Ich komme irgendwann auf die Idee, immer 100 Schritte zu gehen und dann eine kurze Pause zu machen. Hat etwas geholfen. Hat sich der Aufstieg gelohnt? Naja, es ist ein Turm aus Metall und man kann in die Ferne schauen. War ok.
Ich beeile mich ein wenig, weil ich unbedingt noch in den Tante Emmaladen in Stormbruch möchtte. Halte aber kurz an, um den Blick auf den Diemelsee zu genießen, der in der Ferne vor mir liegt. Der Weg nach Stormbruch führt an meiner Trelkingplattform für die Nacht vorbei. Also schonmal einen kurzen Blick darauf werfen.
Ich biege um eine Kurve und sehe in einer Schutzhütte eine Familie mit zwei Mädchen sitzen und Karten spielen. Ich grüße freundlich und gehe weiter. Dann sehe ich auf der Plattform ihre Zelte. Ich bleibe stehen. Gehe zurück und frage doof: „Wollt ihr hier heute übernachten?“
Ich hatte bei meiner Buchung 300 Mal gecheckt, ob auch alles passt und kramte meinen Buchungszettel aus dem Rucksack, um dann festzustellen: Ich hab falsch gebucht! Irgendwas muss ja schiefgehen. Mist.
Die Mädchen sind gleich Feuer und Flamme und meinen, dass ich auf jeden Fall bleiben soll. Da wir uns alle auf Anhieb sehr gut verstehen, nehme ich das Angebot natürlich dankend an. Eine Alternative hätte es auch nicht wirklich gegeben. Puuh Glück gehabt.
Und das auch noch doppelt. Als ich erwähne, dass ich noch runter nach Stormbuch will, brauche ich meinen Rucksack nicht mitzuschleppen und bekomme kurzerhand einen Minirucksack geliehen und den Auftrag eine Flasche Weisswein mitzubringen. Der Weg geht steil bergab und ich fliege ihn ohne Gepäck förmlich hinunter.
Der Laden ist ein Träumchen. Eigentlich eine Metzgei, hat er aber, im Tante Emmaladen Stil, viele Kleinigkeiten für den täglichen Gebrauch. Zum Beispiel Cornetto und Pickup. Überlebenswichtig.
Wir sitzen erst noch zusammen in der Schutzhütte und unterhalten uns über Gott und die Welt, als uns alle irgendwann der Hunger packt. Mein Zelt steht mittlerweile auch mit auf der Plattform. Es passt durch seine Größe perfekt in die hintere Ecke.
Nach dem Essen höre ich noch von einem Tretbecken, an dem die 4 auf dem Hinweg vorbeigekommen sind. Ich fühle mich nach zwei Tagen ohne Dusche und total durchgeschwitzt schon echt ein bisschen ekelig und mir wird durch den Schweiß auch langsam ziemlich kalt.
Die beiden Mädels 9 und 13 begleiten mich. Es ist nochmal ein gutes Stück zu gehen und auch sehr versteckt im Wald gelegen, aber wunderschön. Es gibt ein Arm- und ein Fußbecken, gespeist durch eiskaltes, klares Quellwasser. Die Becken selber bestehen aus ausgehöhlten Baumstämmen. Ich ziehe mich bis auf die Unterwäsche aus, schrubbe den Schweiß von mir ab und wasche meine Sachen einmal durch. Ein absolut erfrischendes Gefühl. Das Wasser ist so kalt, dass die Hände darin in ein paar Sekunden zu erfriere drohen und es schmeckt herrlich erfrischend. Ach ja, auf dem Weg zum Becken haben wir auch noch die vermisste Socke des kleinen Mädchens wiedergefunden.
Frisch „geduscht“ treten wir den Rückweg an und ziehen uns bald darauf auch schon in unsere Zelte zurück.
Eimelrod – Stormbruch: 20,2 km